Dr. Rolf Fritz

 

DAS WUNDER VON CAPPENBERG

 

 

Als "Bewahrer, Entdecker, Vermittler" wurde der Direktor des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund gefeiert. 20 Jahre lang wirkte und wohnte er auf Schloss Cappenberg.

 

Der promovierte Kunstgeschichtler und Archäologe Rolf Fritz hat zwischen 1936 und 1966, in einer politisch äußerst schwierigen Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, schier Unermessliches für die Erhaltung von Kunstschätzen geleistet. Bevor er zum Militärdienst eingezogen wurde, sorgte er 1940 mit seiner Kollegin Dr. Leonie Reygers dafür, dass der Dortmunder Museumsbesitz an verschiedene Orte ausgelagert und nach dem Kriege wieder zusammengeführt wurde. Das Dortmunder Museum war komplett zerstört, das Schloss Cappenberg bot Obdach. Ermöglicht habe das ein britischer Kunstschutzoffizier, dem die Rettung der wertvollen Bestände zu verdanken sei. Denn er machte das beschlagnahmte Schloss für die Kunst frei. Dankbar schilderte der 87-jährige Rolf Fritz diesen Glücksfall 1991 kurz vor seinem Tod in einem Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).

 

Kaum war die Familie Fritz mit Sohn Johann Michael (>S.88) und Tochter Andrea Gabriele 1946 in den Westflügel des Schlosses eingezogen, begann für den Vater die Museumsarbeit. Mutter Hanna, eine promovierte Germanistin, meisterte nach den im Teutoburger Wald unbeschadet überstandenen Kriegsjahren den Haushalt in der nun gänzlich fremden Umgebung. Aus Briefen geht hervor, dass die neuen Bewohner einen Schuttplatz gegenüber der Westfassade der Stiftskirche zu einem kleinen Garten kultivierten, wo Erdbeeren und Gemüse angepflanzt wurden. Zur Bodenverbesserung sammelten sie die Hinterlassenschaften der Pferde, die Hochzeitskutschen zur Stiftskirche zogen.

 

Die wichtigsten Fragen drehten sich in jenen Jahren um die Ernährung. Trotzdem bereitete Rolf Fritz Vorträge vor, wie er es bereits 1934 in Dortmund getan hatte, um den Menschen an jedem Sonntag eine Alternative zum natiionalsozialistischen Propagandagebrüll zu bieten. Konzert- und Rezitationsabende belebten das Schloss. In der Werkstatt zur Restaurierung der Kunstwerke wurde emsig gearbeitet. Bereits 1947 lud Rolf Fritz zur ersten Ausstellung ein. Von Mai bis September 1948 präsentierte er Kunstschätze aus zerstörten Kirchen Westfalens. Ein knappes Jahr später folgte schon die nächste Ausstellung: Deutsche Kultur von der Spätgotik bis zum Rokoko.

 

Rolf Fritz schaffte es, in Nachkriegsdeutschland trotz der angespannten Beziehungen zu den Niederlanden und Belgien originale Handzeichnungen von Rembrandt und seinen Zeitgenossen aus dem Rijksmuseum in Amsterdam und dem Königlichen Museum in Brüssel nach Cappenberg zu holen. Sensationell schlug 1950 die Conrad-von-Soest-Ausstellung sowohl beim Fachpublikum als auch bei der Bevölkerung ein. Besucher pilgerten scharenweise per pedes oder per Fahrrad den Schlossberg hinauf. Manche Gäste quartierten sich für eine Woche in Cappenberg ein. Noch Jahrzehnte später anerkennt die Fachwelt jene Ausstellung als den "besten Überblick über das Werk des Conrad von Soest".

 

Bis zu seiner Pensionierung 1966 ließ Rolf Fritz nahezu alljährlich viel beachtete Ausstellungen im Schloss Cappenberg folgen. Zu seiner enorm hohen Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen gehört ein Aufsatz über Conrad von Soest als Zeichner. Experten nahmen den Text 1953 als "aufregend" wahr, weil Fritz die Infrarot-Fotografie zur Erforschung des Werkes nutzte. Dank seines unermüdlichen Einsatzes für die Kunst in Wort und Tat beschrieb ihn der renommierte Kunsthistoriker Carl Georg Heise in den 1950er-Jahren als "wissenschaftlichen Schlossherrn von Cappenberg" und sprach über die rege Ausstellungstätigkeit als "Wunder von Cappenberg".

 

Bis zu seiner Pensionierung brachte Rolf Fritz dem Museum viele Erwerbungen ein; dabei schenkte er Werken des Mittelalters und der Renaissance aus Westfalen besondere Aufmerksamkeit. Auch mit der Sammlung und Veröffentlichung eines so entlegenen Themas wie Die Gefäße aus Kokusnuss in Mitteleuropa 1250-1800 machte sich er sich als einer der führenden Museumsleiter jener Zeit in Westfalen unverwechselbar.

 

(Barbara Höpping)

 

 

 aus:

 

Menschen in Selm, Bork und Cappenberg. Hg.: Bürgerstiftung Stadt Selm, Copyright 2015 Stadt Selm. ISBN 978-3-00-050029-9,  S.90 f

 

mit Genehmigung des Verlages und der Autorin Barbara Höpping

 

 

  

 

 

B I L D      Dr. ROLF Fritz, geb. 15.4.1904 in Hofgeismar, gest. 2.9.1992 in Münster